Der Weg in den letzten Monaten zu mir selbst fand unter anderem auch mit Hilfe von schweißtreibenden Liegestützen, höllischen Burpees, Fitnessmatten und einer charmanten, quälenden Demütigung durch den Trainer statt, sowie blauen Flecken und Schlägen beim Kampfsport.
Als ich umzog, dachte ich, mehr Sport würde mir mal ganz gut tun. Ich wollte aber unbedingt etwas, was auch mein Selbstbewusstsein stärkt, zudem war es dringend notwendig, meinem alt gewordenen Körper mal wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Ich wollte ihn wieder spüren und mal schauen, was der noch so kann. Ich war überrascht, aber definitiv nicht ohne Widerstand. Per Zufall, durch einen damals lieben Menschen, bin ich auf eine unfassbar liebe Truppe gestoßen. Zweimal in der Woche trete ich voller Vorfreude auf 1 bis 2 Stunden Qual in die Halle ein. Yeay, wieder schmerzende Burpees und Liegestütze! Yeay, es gibt Muskeln, die ich definitiv nicht kannte. Die Halle, mein wöchentlicher Ort der Selbstüberwindung! Doch bei allem Schmerz, allem Schweiß, jeder Motivation durch den Trainer und jedem Strafliegestütz, den ich machen musste, weil ich versagt hatte, hat dieser Ort und dieser Sport definitiv auch etwas Magisches für mich.
Ich fühle mich seitdem stärker im Gang, im Körper und im gesamten Gefühl. Mein Körper erinnert mich jeden Montag und Donnerstag wieder daran, was er alles doch noch so kann. Im Anschluss an die Fitnessstunde mache ich oft noch weiter mit dem Kampfsport. Während das Fitnesstraining die Bühne ist, auf der ich mich behutsam entdecke, ist Kampfsport definitiv der knallharte Spiegel, dermir meine Grenzen zeigt und diese mächtig verschiebt. Beim Kampfsport lerne ich, dass Kraft nicht immer das Wichtigste ist, sondern die Technik, die Geduld und die Fähigkeit, den Körper und den Kopf zu synchronisieren. Und da sind wir schon wieder bei meinen Grenzen, die ich wie immer am liebsten meiden würde. Denn Multitasking zwischen 8 anderen, die diesen Sport schon seit Jahren betreiben, lässt mich jedes Mal über meine Komfortzone hinauswachsen. Jedes Mal muss ich mich überwinden, nicht heulend davon zu rennen, weil ich es wieder nicht wirklich schnalle. Hinzu kommen neuerdings Fallübungen, für mich ebenfalls herausfordernd. Meinen Körper, der sich oft noch anfühlt wie ein Wahlross, aber professionell nach einem Angriff fallen zu lassen und dabei noch die Angst zu überwinden, mir nicht gleich alle Knochen zu brechen, ist definitiv eine Erfahrung und sehr herausfordernd. Von bestimmten Stellen, an denen man kneifen darf, um sich aus dem Schwitzkasten zu befreien, bei dem das Kneifen natürlich auch geübt wird, möchte ich gar nicht sprechen. (Aua!)
Und das Beste? Die Menschen!!! Es zählt Spaß und vor allem Disziplin und Respekt voreinander. Viele offene, sehr natürliche Menschen, die ebenfalls die etwas familiäre Stimmung dort genießen und oft über sich hinauswachsen möchten. Nach dem Training, wenn die krasse Anstrengung durch unsere Körper rauscht und die Energie noch vorhanden ist, toben wir Mädels uns manchmal noch aus wie Kinder. Wir üben Handstand, was mehr nach einem mühsamen Aufspringen aussieht als alles andere, oder wir werfen uns kichernd auf die große Matte, als wären wir wieder sieben Jahre alt. Ich liebe es, diese Momente, in denen wir einfach albern sein können, einfach nur wir selbst, noch umhüllt vom Rausch der Anstrengung.
Am Ende jedes Sportabends gehe ich nach Hause, leicht aufgekratzt, oft mit Muskelkater am nächsten Tag, aber immer mit einem wirklich angenehmen Gefühl im Herzen. Mein Körper fühlt sich nicht nur stärker an, sondern auch lebendiger. Mein Kopf ist klarer, die Themen des Alltags ein wenig leichter. Und ja, ich muss tatsächlich sagen, Tief in mir spüre ich, dass etwas passiert, etwas, das größer ist als nur der Sport. Es ist eine andere Art des Wachstums, ein sanftes Wachsen, das man erst bemerkt, wenn man innehält und fühlt, wie viel Platz man plötzlich in sich hat.
Mein Körper und mein Kopf freunden sich nach und nach wieder an, langsam, aber stetig. Und wenn ich auf der Matte liege, völlig verschwitzt, gequält, aber glücklich, weiß ich: Genau hier wachse ich noch einmal. Ich lerne nicht nur das Fallen (oder das Kneifen), sondern auch, wie wunderbar es ist, wieder aufzustehen und dabei einfach mal herzlich über sich selbst zu lachen.
In diesem Sinne
eure Nadine