In letzter Zeit bekomme ich oft gesagt, dass ich mutig sei. Jedes Mal denke ich: Hä? Warum? Also habe ich ein bisschen darüber nachgedacht.
Was bedeutet eigentlich Mut?
„Mut ist die Fähigkeit, in einer gefährlichen oder riskanten Situation seine Angst zu überwinden; Furchtlosigkeit angesichts einer Situation, in der man Angst haben könnte.“
Aha, also „in einer riskanten Situation seine Angst überwinden“. Aber was ist eigentlich riskant?
War es riskant, vor sechs Monaten zu gehen? War es mutig von mir?
Ist es riskant, ehrlich zu sein im Leben und einfach zu sagen, was man denkt und fühlt? Ist es mutig von mir?
Ist es riskant, alleine neue Dinge auszuprobieren, Erfahrungen zu machen, die mich wachsen lassen?
War es mutig, jemanden „Neues“ oder „Etwas, was mir gut tut“, in mein Leben zu lassen?
Ist es riskant oder ist es mutig von mir, mich selbst so anzunehmen, wie ich bin, auch wenn ich mich oft noch unsicher und verletzlich fühle?
Erfordert es Mut, nicht nur die Erwartungen anderer zu erfüllen, sondern den eigenen Weg zu gehen und zu akzeptieren, dass es okay ist, unperfekt zu sein?
Vielleicht passt es alles zu der Definition, ich bin mir nicht ganz sicher. Aber was stimmt, ist, dass ich jedes Mal – wirklich jedes Mal – Angst hatte.
Ich hatte Angst zu gehen, wegen des Schmerzes, der damit verbunden war, der Angst, ihn zu verlieren, der Ungewissheit, was auf mich zukommt.
Ich hatte Angst, “Neues” auszuprobieren – wie komme ich rüber? Was wird wohl passieren? Was, wenn ich scheitere? Was, wenn ich alles zurücknehmen muss?
Ich hatte auch Angst, jemanden „Neuen“ in mein Leben zu lassen – Angst, wieder verletzt zu werden, was letztlich auch passiert ist, leider, die Angst, nicht gut genug zu sein.
Und auch im Alltag gibt es die Angst – wenn ich mir keine Hilfe mehr hole, wenn ich befürchte, etwas kaputt zu machen oder einen Fehler zu machen.
Die Angst, nicht zu genügen oder abgelehnt zu werden, ist immer noch da – doch ich wähle, ihr nicht die Kontrolle zu überlassen und mich trotzdem weiter zu entwickeln.
Ja, die Angst spielt immer mit. Aber dennoch riskiere ich es jedes Mal. Und ja, ich versage auch. Ich mache Fehler und ich werde verletzt. Aber ich würde es nie anders machen. Denn ich bin durch all diese Erfahrungen reicher geworden, ich fühle mich stärker und ich wachse daran.
Scheinbar bin ich also wohl mutig. Und ich bereue es nicht, auch wenn es manchmal echt richtig weh tut.
Einiegeln ist keine Option für mich – auch wenn der Weg schmerzhaft ist, weiß ich, dass er mich weiter bringt.
Mut bedeutet nicht, keine Ängste zu haben, sondern trotz der Unsicherheiten und Verletzlichkeiten, die wir tragen, einen Schritt vor den anderen zu setzen und für uns selbst einzutreten – genau wie ich es es in meinem eigenen Prozess der Veränderung tue, indem ich mich, so gut ich kann der der Herausforderung stelle, um mich selbst neu zu definieren.
In diesem Sinne,
Eure Nadine