Nadine …und eine neue Variante von Mut….

Ich entdecke gerade eine neue Variante von Mut, eine, die leiser ist, definitiv unbequemer, aber irgendwie echter.

Mein Leben lang habe ich Dinge sehr sehr oft aus dem Bauch heraus entschieden, es passte, es fühlte sich gut an, okay…..dann los. Ein Mensch in der Expressspur des Lebens, mit Dauerabo auf Bauchentscheidungen und gelegentlichen Bruchlandungen. Wenn ich etwas fühlte, dann wollte ich es auch sofort klären, lösen, retten, erleben, am liebsten gestern. War/bin oft getrieben von Emotionen, jetzt jedoch beobachte ich mich deutlich mehr.

Ich versuche die Dinge nicht mehr mit der gleichen Wucht anzugehen, sondern reflektierter. Ich habe zu oft im Hier und Jetzt gehandelt, aber auch immer wieder mit den vermeintlichen Konsequenzen gelebt, ich kannte es nicht anders. Dies hat mir oft Tränen, viel Geld und auch Stress und meine Nerven gekostet. Ich brauchte rasche Klarheit, offene Worte, Ehrlichkeit, das Lösen, Befreien meiner Emotionen.

Stillstand, Abwarten, Aushalten, Geduldig sein und vor allem Vertrauen, war/ist nicht meine Stärke.

Seit einiger Zeit jedoch wird mir klar, dass hinter all dem nicht nur die Floskel „Ungeduld, oder Unruhe“ steckt, sondern viel mehr.

Ist es vielleicht eine Flucht? Wäre ein Abwarten, Ruhe bewahren, zu Vertrauen vielleicht eine mutigere Variante des Mutes, alles nicht sofort klar zu haben, eine mutigere Variante von Mut?

Ich entdeckte, dass es auch mutig ist, Spannung auszuhalten, ohne sofort nach Erleichterung zu greifen, den inneren Druck auszuhalten und nicht gleich bekämpfen zu müssen. Ich beobachtete immer wieder was passiert.

Ich muss nicht immer sofort Handeln und Kämpfen, irgendetwas retten, ich darf auch mal aushalten. Muss ich immer den ersten Schritt machen?

Ich darf den Raum zwischen Wunsch und Wirklichkeit ertragen, ohne mich selbst zu verlieren.

Im Training lernte ich jeden Tag, Spannung zu halten, ohne gleich aufzugeben. Mein Körper lernte so zuerst, was die Seele erst später begreifen sollte und zwar, dass man Kraft nicht nur durch Bewegung, sondern auch durch Stillstand gewinnt.

Ich merke, dass mich dieses Aushalten verändert. Ich renne im Alltag weniger. Ich kämpfe weniger. Ich halte mehr aus, ohne sofort nach Lösungen zu suchen, zu retten. Es macht mich ruhiger, klarer, irgendwie erwachsener.

Ich spüre langsam: Ich kann mir selbst vertrauen. Ich übe also irgendwie, nicht sofort zu reagieren. Manchmal klappt’s, schon. Manchmal rede ich dann eben nur mit meinem Hund darüber, bis der genervt wegguckt, oder gelangweilt gähnt. Selbstverständlich klappt das nicht immer. Ich bin weit davon entfernt, erleuchtet zu sein, (will ich das überhaupt:)) manchmal renne ich gedanklich immer noch nen Marathon, während ich mir eigentlich innerlich definitiv Ruhe verordnet habe.

Aber vielleicht ist genau das der Punkt: nicht perfekt zu werden, sondern ehrlich zu merken, wo’s oft hakt.

Und diese neue Variante von Mut, ist ein ziemlich gutes Gefühl, stärker als jedes schnelle „Ich hab’s geregelt“ Gefühl von früher, wo vermeintliche Konsequenzen noch nicht sichtbar waren. Wo sonst nur Druck und innerer Kampf war, entsteht Raum. Wo früher Angst war, entsteht Vertrauen. Ich fühle mich nicht mehr so ausgeliefert von dem, was andere tun oder lassen. Es ist, als würde ich langsam lernen, bei mir zu bleiben. Manchmal fühlt sich das ungewohnt leer an, manchmal friedlich. Oft tuts ziemlich weh. Bin leider Meisterin in unglückliche Situationen oder Ergebnisse.

Aber es wird mehr und mehr mein Frieden, nicht der, den mir jemand geben oder nehmen kann.

Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich mich auf Kreta immer so frei gefühlt habe.

Ich verstand die Sprache kaum, spürte dadurch auch viel weniger Trigger, keine Zwischentöne, keine unterschwelligen Spannungen, kein dauerndes Deuten.

Ich musste niemanden lesen, nur mich.

Diese Ruhe kam nicht von außen, sondern davon, dass ich einmal nichts übersetzen, nichts fühlen und nichts retten musste.

Und vielleicht ist genau das die eigentliche Übung hier zu Hause: mir selbst solche Momente von innerer Sprachlosigkeit zu erlauben, ohne dafür ans Meer fliehen zu müssen.

Wie ich das umsetze, so gut ich kann? Ich stellte mir immer wieder die Fragen: muss ich z.B. im Job jedesmal sofort reagieren? Muss ich im Streit wirklich sofort recht haben. Und muss ich überall und sofort eine Antwort haben. Muss ich Dinge immer sofort klar entscheiden? Reagieren? Will ich im Leben Verbindungen, die ich ständig am Leben halten muss, oder will ich Verbindungen, die von selbst atmen? Wie bekomme ich meine eigene Authentizität umgesetzt?

Vielleicht ist genau das der neue Mut: nicht immer zu rennen, sondern auch mal zu bleiben, Menschen ihren Weg gehen zu lassen, ohne dabei meinen eigenen zu verlieren, endlich mal bei mir, im Jetzt, im Vertrauen (was der schwerste Teil am ganzen ist). Und wenn’s mal nicht klappt, tja dann hilft nur noch Schokolade, Chips, n guter Wein, ein Spaziergang, Musik. Oder alles auf einmal.

 

In diesem Sinne einfach mal atmen, aushalten und ein klein wenig Vertrauen …eure Nadine

 

 

 

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